Stellantis, der Automobilriese mit Sitz in Italien, kämpft mit einer erheblichen Produktionskrise. Am 18. Oktober haben große italienische Gewerkschaften zu einem eintägigen Streik bei Stellantis und seinen lokalen Zulieferern aufgerufen, um gegen die rückläufige Fahrzeugproduktion im Land zu protestieren, wie von Automotive News berichtet.
Nach Angaben von FIM-CISL ist die Produktion in den italienischen Werken von Stellantis im ersten Halbjahr um 25 % gesunken. Der Gewerkschaftsvertreter Rocco Palombella beschrieb die Situation als 'schlecht, sehr schlecht' während einer Pressekonferenz zusammen mit anderen großen Metallarbeitergewerkschaften.
Aktuelle Prognosen deuten darauf hin, dass Stellantis in diesem Jahr etwas mehr als 500.000 Fahrzeuge in Italien produzieren wird, was einen drastischen Rückgang gegenüber 751.000 Einheiten im Vorjahr bedeutet. Die Betriebe in den italienischen Werken von Stellantis wurden aufgrund der schlechten Marktnachfrage, insbesondere nach Elektroautos, häufig eingestellt.
Italienische Politiker und Gewerkschaften befürchten weitere Stellenstreichungen in der Automobilindustrie. Vor der Fusion von Fiat Chrysler und der französischen PSA-Gruppe zu Stellantis waren in den italienischen Werken des Autoherstellers über 51.000 Menschen beschäftigt, aktuell sind es noch gut 43.000. FIM-CISL befürchtet, dass die aktuelle Krise 12.000 Arbeitsplätze bei Stellantis gefährden könnte, und ebenso viele oder sogar noch mehr könnten in den Zulieferbetrieben verloren gehen.
Die nationalistische Regierung unter Premierministerin Giorgia Meloni steht seit Monaten im Clinch mit Stellantis und beschuldigt den Autohersteller, seine historischen Produktionsstätten in Italien zu vernachlässigen. Die Regierung führt Gespräche mit Stellantis, dem einzigen großen Autohersteller des Landes, um die italienische Produktion bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf 1 Million Einheiten pro Jahr zu steigern, doch bisher wurde kein Einvernehmen erzielt.
Nur wenige Tage zuvor hatte Adolfo Urso, Minister für Unternehmen und 'Made in Italy', eine bereits vor Monaten ausgesprochene Drohung wahr gemacht: Sollte Stellantis keinen konkreten Zeitplan für den Bau seiner Batteriezellfabrik in Termoli vorlegen, werden die für dieses Projekt reservierten EU-Mittel anderweitig vergeben. Da das Joint Venture ACC, an dem Stellantis, der deutsche Automobilhersteller Mercedes und der Energiekonzern TotalEnergies beteiligt sind, dieser Forderung nicht nachkam, strich Urso die Zusage und will nun die mehr als 220 Millionen Euro aus den EU-Töpfen anderweitig vergeben.
Laut der Website des Ministeriums werden die für Termoli vorgesehenen Mittel auf andere Projekte umgeschichtet, die sich auf die Energiewende konzentrieren, und bekräftigte damit den Willen der Regierung, die Zukunft Italiens nicht allein von Stellantis abhängig zu machen. Meloni wirft Stellantis vor, Teile seiner Produktion in Billiglohnländer zu verlagern und Italien den Rücken zu kehren.
Stellantis bzw. ACC begründete sein Zaudern mit den Unsicherheiten, auf welche Technologie man bei der Zellproduktion setzen sollte. Im Juni hatte ACC eine 'Pause' beim Aufbau seiner Batteriefabriken sowohl in Italien als auch in Deutschland angekündigt, um seine Strategie angesichts der rasanten Entwicklungen im Bereich der Elektromobilität anzupassen. Das Joint Venture plant insbesondere die Entwicklung von günstigeren E-Auto-Batterien auf Basis von Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LFP), um die steigende Nachfrage nach günstigen Elektroautos zu befriedigen.
Ganz abgeschrieben ist die Zellfabrik in Termoli nicht. Industrieminister Urso erklärte, dass inländische staatliche Förderungen bereitgestellt werden könnten, wenn ACC zu einem späteren Zeitpunkt einen neuen Industrieplan für Termoli vorlegen kann. In einer Pressemitteilung sprach ACC die Hoffnung aus, in der ersten Hälfte des Jahres 2025 die Bauarbeiten wieder aufnehmen zu können, wenn die technischen und marktbedingten Hindernisse überwunden wurden, die das Projekt gebremst hatten. 'Sobald die Verkäufe von Elektroautos in Europa steigen, sobald ich sehe, dass ich mehr Kapazität brauche, werde ich die Investition in die beiden Werke in Deutschland und Italien auslösen', sagte Konzernchef Carlos Tavares.