Die heilende Kraft der Waldbäder in Europa erkunden

Wenn der Herbst die Bäume in lebendige Farben taucht, fühlen sich viele von den Wäldern nicht nur wegen ihrer Schönheit angezogen, sondern auch wegen der potenziellen gesundheitlichen Vorteile, die mit der Zeit in der Natur verbunden sind. Bekannt als "Waldtherapie" oder "Sylvotherapie", behauptet diese Praxis, die heilenden Kräfte der Bäume zu nutzen. Aber was sagt die Wissenschaft über die Vorteile der Wälder für die menschliche Gesundheit?

Seit Jahrzehnten untersuchen Forscher verschiedene Ökosysteme, einschließlich Wälder, um deren potenzielle positive Auswirkungen auf die Gesundheit zu entdecken. Zahlreiche Studien zeigen, dass das Verbringen von Zeit in der Natur, insbesondere in Wäldern, das allgemeine Wohlbefinden steigern kann. Es gibt Hinweise darauf, dass der Aufenthalt im Wald Stress und Angst reduzieren kann, während er auch die Immunfunktion, Konzentration und Stimmung verbessert.

In Europa startete die COST-Initiative (Europäische Zusammenarbeit in Wissenschaft und Technologie), finanziert von der Europäischen Union, 2004 das Projekt "Wälder, Bäume, menschliche Gesundheit und Wohlbefinden". Über vier Jahre hinweg arbeiteten 160 Wissenschaftler aus 24 europäischen Ländern sowie Teilnehmer aus Asien, Australien, Kanada und den Vereinigten Staaten zusammen, um das Verständnis darüber zu vertiefen, wie Wälder und grüne Räume der Gesundheit zugutekommen.

Die Ergebnisse sind gemischt:

  • Einerseits scheint die Forschung die gesundheitlichen Vorteile von Waldaufenthalten zu bestätigen, die mit Sonnenlichtexposition (und damit Vitamin D) und der damit verbundenen körperlichen Aktivität sowie den stressregulierenden Eigenschaften von Pflanzen verbunden sind.

  • Andererseits gibt es derzeit keinen soliden Beweis dafür, dass die Waldbesuche direkt die Immunfunktion, motorische Fähigkeiten oder das Lernen verbessern.

Das Konzept des "Shinrin-Yoku" oder "Waldbadens" wurde in den 1980er Jahren vom japanischen Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei formalisiert. Als Antwort auf Gesundheitsprobleme, die mit dem Stadtleben verbunden sind, betrachtete die japanische Regierung diese Praxis als neuartige präventive Maßnahme im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Seitdem hat sie sich zu dem entwickelt, was heute als "Waldmedizin" oder Sylvotherapie anerkannt ist.

Dr. Qing Li, ein japanischer Arzt und Forscher, hat eine Schlüsselrolle bei der weltweiten Popularisierung dieses Konzepts gespielt. Als außerordentlicher Professor an der Nippon Medical School in Tokio konzentriert sich seine Forschung auf die biologischen Effekte von "Phytonziden", flüchtigen Verbindungen, die von Bäumen abgegeben werden, und darauf, wie Zeit in Wäldern die Gesundheit fördern kann.

Die Herangehensweise von Dr. Li basiert auf einer Theorie: Sich in einem Wald zu bewegen und die fünf Sinne zu aktivieren—den Wind, der durch die Blätter weht, zu hören, die holzigen Düfte zu riechen und die Bäume zu berühren—durch eine Reihe von Übungen könnte die körperliche und geistige Gesundheit verbessern. Japan hat zahlreiche "therapeutische Wälder" und Shinrin-Yoku-Pfade ausgewiesen, auf denen ausgebildete Praktiker die Besucher durch sensorische Erfahrungen führen, die Spaziergänge mit Entspannung, Meditation und Sophrologie kombinieren.

Trotz des wachsenden Interesses an Sylvotherapie, insbesondere in Europa, wird sie noch nicht als formelle medizinische Praxis anerkannt. Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist der Meinung, dass sie ihre Wirksamkeit nicht ausreichend nachgewiesen hat.

Die Forscher, die an der COST-Initiative beteiligt sind, erkennen an, dass "naturbasierte therapeutische Interventionen in bestimmten Kontexten wirksam zu sein scheinen", insbesondere bei Depressionen, Angstzuständen, Schizophrenie, bipolaren Störungen, posttraumatischen Belastungsstörungen und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Sie weisen jedoch darauf hin, dass die Studien, die diese Ergebnisse bestätigen, oft wegen ihrer mangelnden Qualität kritisiert werden. Nur wenige Studien sind gut bewertet, und viele wurden aufgrund unzureichender Strenge von wissenschaftlichen Veröffentlichungen ausgeschlossen.

Derzeit wurden die angeblichen Vorteile des Waldbadens nur über kurze Zeiträume gemessen, oft mit zu kleinen Gruppen, um relevante Statistiken zu liefern, oder ohne Berücksichtigung externer Faktoren, die die Ergebnisse beeinflussen könnten.

Im aktuellen Stand der Forschung hat die Sylvotherapie Schwierigkeiten, standardisierte therapeutische Protokolle zu entwickeln, die eine Messung ihrer Wirksamkeit ermöglichen würden, und kann daher nicht als offizielle medizinische Praxis anerkannt werden.

Darüber hinaus kann die Sylvotherapie, wie viele alternative Therapien, heute ohne spezielle Qualifikationen oder Zertifikate praktiziert werden. Neben den kommerziellen Interessen mancher Praktiker, die möglicherweise überteuerte "therapeutische" Waldspaziergänge anbieten, besteht das Risiko von Ausbeutung, insbesondere von verletzlichen Personen, die nach Lösungen für körperliches oder psychisches Unwohlsein suchen.

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